*** REFLEXIONEN ZUR ARCHITEKTUR BIENNALE ’23 ***

Gestern ging nach 6 Monaten Laufzeit die Architektur Biennale 2023 in Venedig zu Ende. Wir waren Mitte Oktober mit den Studierenden des 2.Jahrgangs auf Exkursion vor Ort. Eine Auswahl der individuellen Reflexionen sind hier zum Nachlesen:

Welcher Beitrag hat Euch aus welchen Gründen inhaltlich am meisten beeindruckt?

Giardini | 20.10. 23 | AKT Österreich Pavillon
Beitrag von Alex Rogen
Der Beitrag des Architektenkollektivs AKT und Hermann Czech hat bei mir nachhaltig für verschiedene Gedankengänge gesorgt und mir gezeigt, was Architektur leisten kann. Konzeptionell kann man den Pavillon dem Thema der Öffnung zuordnen und behandelt vor allem soziale Nachhaltigkeit und das Recht auf Wohnen. Dadurch unterscheidet sich der Pavillon grundlegend zu den anderen Länderpavillons. Den Kuratoren ging es sinnbildlich um das Überwinden von Mauern, welche in Giardini physisch die Biennale mit dem angrenzenden Quartier Sant`Elena trennt. Das wiederholte Untersagen von Seiten der Biennale und der venezianischen Ämter zeigt so viel mehr als einen nicht gewünschten Eingriff im Denkmalschutz.
Dennoch hat es mir aber aufgezeigt, dass mutige und konkrete Eingriffe sich immer lohnen, denn damit kann man einen Stein zum Rollen bringen, welcher auf lange Sicht Veränderung in Gesellschaften und eingefahrene Systeme herbeiführt.
#grenzenüberwinden #mutigsein #umnutzung #etwasfürdieBürger

Arsenale | 19.10.23 | FLORES & PRATS ARCHITECTS „Emotional Heritage“
Beitrag von Nana Khotcholava
Was an der Ausstellung von Flores & Prats Architects im Arsenale am meisten beeindruckte, war ihre einzigartige Betrachtungsweise von Architektur. Sie zeigten, dass Gebäude nicht nur Strukturen, sondern auch Behälter für Erinnerungen und Emotionen sind. Der Ansatz der Architekten beeindruckte durch seinen offenen und kollaborativen Aufbau. Die Ausstellung ähnelte einem Arbeitsstudio und lud die Besucher ein, sich aktiv am Designprozess zu beteiligen. Dieser Ansatz verwandelte den Akt des Entwerfens effektiv in eine Ausstellung für sich. Ihre Arbeitsumgebung war wie ein offenes und unvollständiges Dokument. Sie zeigten Modelle, Zeichnungen und Dokumentationen, die ihren gesamten kreativen Prozess verdeutlichten.
#VeniceBiennale #ArchitectureEmotions #CreativeDesignProcess #ArchitectureAsMemory #FloresPratsArchitects #DesignProcess

Giardini | 20.10.23 | Pavillon der Niederlande „Plumbing the System“
Beitrag von Robin Kavalirek

Kann ein fest verwurzeltes System verändert werden?
Der Pavillon der Niederlande beschäftigt sich mit wirtschaftlichen, sozialen und politischen Systemen und wie Architektur die Menschen und deren Aktivitäten lenkt, reguliert und organisiert. Er zeigt auf verständ-liche Art und Weise, mithilfe eines großen Bildes, das komplexe System wie Geld unsere Gesellschaft und unsere Beziehungen zueinander formt. Verschiedene beeindruckende Versuche zeigen, wie Systeme, die hauptsächlich auf Ausbeutung beruhen, verändert werden können, um für eine gerechtere Zukunft zu sorgen. Der Pavillon begeisterte mich nicht nur durch das interessante Thema, sondern auch durch seine Darstellung und die verschiedenen Lösungsansätze.
#zukunft #illustration#geld #beeindruckend #ausbeutung

Arsenale | 19.10.23 | Killing Architects
Beitrag von Katharina Falb

Einen wichtigen Beitrag in der “The Laboratory of the Future” Ausstellung im Arsenal auf der Biennale 2023 stellt für mich das Projekt “killingarchitects” dar. In dieser Ausstellung wurde über Konzentrationslager in China berichtet, insbesondere wie diese aufgebaut und organisiert werden. Ein Thema, das für mich bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt war. Diese Ausstellung bestand aus mehreren Bereichen, zunächst aus einem Dokumentarfilm, dann waren Porträts der Zeugen, dadurch konnten Insiderinformationen zu diesen Lagern gesammelt werden, und eine Karte zu sehen, auf der ein Lager schematisch skizziert und mit zusätzlichen Informationen ergänzt wurde. Besonders spannend finde ich es hierbei, dass alle drei Elemente auch unabhängig voneinander von den Besuchern konsumiert werden können und die Message und Informationen trotzdem erfasst werden. Dabei kann der Nutzer selbst entscheiden, wie viel Zeit er sich für die Ausstellung nehmen möchte.
#unabhängig #informativ #schockierend #benutzerbezogen

Arsenale | 19.10.23 | „Streben nach Veränderung“, französischer Pavillon
Beitrag von Sara Mayer

Die Sehnsucht nach Utopie lässt Menschen in schwierigen Zeiten wie diesen träumen. Der französische Pavillon im Giardini auf der Biennale in Venedig schafft auf unkonventionelle Art und Weise einen inklusiven Raum, in dem Kunst und Architektur verschmelzen. In einem halbkugelförmigen Blech-Theater von Muoto, das so aussieht als wäre irrtümlich ein Ufo im Raum gelandet, sollen sich Besucher*innen frei ausdrücken können. Nicht die Krise, sondern die Möglichkeit gemeinsam neue Lösungen zu finden, steht im Vordergrund. Die Bauweise des Konstrukts aus recycelten Objekten repräsentiert den Wunsch, aus der Vergangenheit eine neue Zukunft zu schaffen. Das einmal wöchentlich stattfindende Performance Programm umfasst Workshops und Penal Talks und stellt somit einen passenden Beitrag zum diesjährigen Biennale Thema ‚The Laboratory oft he Future‘ dar – als Symbol für blühende Vorstellungskraft und kollektiven Austausch.
#freedom #of #speech #nachhaltigkeit #gesellschaft #im #wandel #der #zeit #follow #the #call #of #the #disco #ball

Arsenale | 19.10.23 | „In search of well-tempered architecture“, slowenischer Pavillon
Beitrag von Nicole Schellhammer

Der slowenische Beitrag an der Architektur Biennale 2023 in Venedig über-zeugt mich nicht nur mit der Themenwahl sondern auch mit der Vermittlung des Inhaltes.
Uns allen ist das Thema des Energiesparens bewusst und für einige ist es bereits Teil des Alltags. Die Dringlichkeit der Thematik ist nicht zu leugnen und der Druck wird immer größer. Dennoch gelingt es den Gestalter: innen die Materie so zu vermitteln, dass der Raum mit positiven Gefühl verlas-sen wird. Der Raum strahlt Wärme aus, durch verwendete Materialien wie Baumwolle und Holz, deren weichen Oberflächen und das gelbliche Licht. Für die Besuchenden ist die Idee demnach fühl- und erlebbar. Der rote Faden des Raumkonzepts wird zudem mit bildender Kunst unter-stützt. Fünf Malereien, in warmen Rot-/Gelbtönen, sind im Raum verteilt. Nicht an den Wänden hängend, stehen sie bewusst außer Konkurrenz der Ausstellungstexte. Sie unterstützen visuell die Empfindung der Wärme und die Wohlfühlatmosphäre.
Der Steinboden wird mit den kachelofenartigen Steinkuben zu Saunabänken. Zudem nehmen die speziell für den Pavillon angefertigten Holzstühle die Sprache des Raumes auf.
Der ganze Raum wird miteinbezogen und trotz mehrerer räumlicher Installationen und mit Hilfe weniger Materialien als eine Einheit wahrgenommen. Im Bezug auf das Hauptthema der Biennale gelingt es den Architekt: innen aus Slowenien mit einer Selbstverständlichkeit den zukunftsgerichteten Blick inhaltlich (mit Text und Bild) wiederzugeben. Einfache und klare Texte geben einen guten Überblick, ohne den Laien zu überfordern. Aspekte im Bezug auf die Gesellschaft, Kultur, Umwelt und Architektur werden angesprochen. Die vielen aufgezählten Referenzbeispiele aus der Vergangenheit sollen für die Zukunft Veränderungen bringen. Besonders erwähnenswert ist, dass die Lösungsansätze sowohl auf Neubauten wie auch auf die Bestandsarchitektur eingehen.
#roterfaden #energiesparen #sinnlich

Welcher Beitrag hat Euch in Hinblick auf die Art und Weise der Informationsvermittlung am meisten beeindruckt?

Arsenale | 19.10.23 | „threads“ Kate Otten Architects
Beitrag von Claudia Pichler

Kate Otten Architects präsentierte bei der diesjährigen Biennale die faszinierende Arbeit „Threads“. Die Installation erzählt die Geschichte von Johannesburg, die vor Milliarden von Jahren mit einem meteorischen Goldregen begann. Durch kunstvolle Webereien wird die enge Verflechtung von Landschaften und sozialen Geografien, als auch Reichtum und Ausbeutung dargestellt, indem die Geschichte des Goldabbaus und des daraus resultierenden Wohlstands aufgegriffen wird. Mithilfe eines runden Webstuhls und einer Kombination aus Mohairteppich und Perlenstickerei erwacht das Vergangene zum Leben und veranschaulicht den Einfluss der Bergbaugeschichte in einer Vielzahl von Farben und Formen. Dieser immersive Raum lädt die Besucher ein, verschiedene Perspektiven zu erleben und reflektiert dabei die kollaborative Natur der Architektur. Die Ausstellung zielt darauf ab, die Bedeutung historischer Ereignisse für die gegenwärtige und zukünftige Gestaltung von Räumen zu verdeutlichen.
#goldrausch #weberei #handarbeit #kunsthandwerk #johannesburg

Giardini | 20.10.23 | Nordic Countries Pavillon, Giregumpi
Beitrag von Hanna Beck-Tiefenbach

Auf den ersten Blick wirkt der Pavillion wie ein einziges Chaos und es tritt einem ein strenger Geruch in die Nase. Hinter diesem Bild verbirgt sich jedoch eine spannende Ge-schichte der indigenen Sámi Bevölkerung in Skandinavien, die sich durch ihr nomadischen Leben auszeichnet.
Der Künstler Joar Nango hat über 15 Jahre Bücher und Materialien der indigenen Sámi Architektur und Design gesammelt, die Wissen über traditionellen Bauweisen, Aktivismus und Dekolonialität beinhalten. Dadurch entstand das gemeinschaftliches Projekt einer umherziehenden Bibliothek, die seit 2018 unterwegs ist und dieses Jahr im nordischen Pavillion ihren Platz fand. Auf spannende, realistische Weise wird hier die immer größer werdenen Sammlung von Büchern und Gegenständen der Sámi Kultur dargestellt. Der strenge Geruch und der chaotische Eindruck des Raumes bildet einen realitäsnahen Eindruck des nomadischen Lebens der indigenen Bevölkerung, dessen Leben sich weit von dem was wir kennen befindet.
#nomadisches leben #indigene bevölkerung #collective #bibliothek #wissensaustausch #nordic

Arsenale | 19.10.23 | The black city astrolab J. Yolande Daniels
Beitrag von Christina Fuchs

„Yesterday, a ‚Black‘ woman went to the future, and here she is.“
Mit diesem Zitat wird auf das Leben, insbesonders auf die Auswanderungen „schwarzer“ Frauen vom 15. Jahrhundert bis heute aufmerksam gemacht. Das dargestellte Netzwerk aus Punkten und Linien stellt ein Raum-Zeit-Feld dar, in dem man Ereignisse und Bewegungen afrikanischer Frauen bis dato ablesen kann. Mit den Analysen der letzten Jahrhunderte lassen sich, anhand des 3D Diagramms, zukünftigen Entwicklungen deuten. Durch diesen Interpretationsspielraum soll es den Besucher zum Nachdenken anregen.
#Flucht #Auswanderung #Unterdrückung #Rassismus

Giardini | 20.10.23 | Central Pavillon: atelier masómí – Process
Beitrag von Tanja Haider

In ‚Process‘ wird Architektur in einen Kontext von klimatischen Bedingungen, Knappheit und wirtschaftlicher Verwundbarkeit gestellt. Niamey (Niger) bietet Platz für neuartige Architekturansätze, die von der Vergangenheit inspiriert sind und in die Zukunft weisen. atelier masómí stellen drei Präzedenzfälle sahelischer Architektur eigenen Projekten gegen-über.
Bei der Darstellung der Projekte wird auf Kontrastreichtum gesetzt wodurch sie sich gerade deswegen harmonisch ineinanderfügen. Die ungewöhnliche Wandfarbe Braun vereint alle Bereiche miteinander und schafft eine Kohärenz zu Modell und Bildmaterial. Der Kontrast zwischen exakten Modellen und groben Skizzen sowie statischem und bewegtem Bild erzeugen einen interessanten Dialog. Auch der Umgang mit Zwei- und Dreidimensionalität führen zu einem ständigen Perspektivenwechsel. Die Besucher:innen werden aufgefordert zwischen Nähe und Ferne zu wechseln, das Auge immer wieder neu auf die Dimension und Ausrichtung einzustellen. #Perspektivenwechsel #Skizzen #Aufbau #Dimensionen #Vergleich #Kontext

Giardini | 20.10.23 | Kommunizieren Pilze mit uns?
Beitrag von Larissa Winterhalder

Die Kuratoren des belgischen Pavillons setzen alternative Baustoffe und deren Entwicklungsprozess in den Mittelpunkt. In einer Welt mit begrenzten Ressourcen muss auf Alternativen zurückgegriffen werden. Als zentrales Element des Pavillons wird auf Pilze, genauer gesagt auf Myzel (Pilzwurzeln) zurückgegriffen, welche ein nachhaltiges, kostengünstiges und erneuerbares Material darstellen. Im Zentrum des Innenraums steht eine Holzkonstruktion, durch welche ein eigener Raum geschaffen wird. Dabei wurden natürliche Materialien aus Brüssel wie Myzelplatten, Erde und Holz verwendet, wodurch die Besucherinnen die Möglichkeit haben die Materialien auf verschiedenste Weisen zu erleben. Die Gestaltung der Installation berücksichtigt zudem eine Wiederverwendbarkeit nach dem Abbau. Der Pavillon schafft eine Gelegenheit sich mit der Zukunft des Wohnens zu beschäftigen und regt zu innovativem Denken an.
#myzel #alternative #ressourcen #nachhaltig #zukunft des wohnens #regional

Arsenale | 19.10.23 | „Obroni Wa’awu“-Cross Continental Clothscape
Beitrag von Nadja Meyer

Lauren-Lois Duahs „Obroni Wa’awu“-Cross Continental Clothscape im Arsenale der Biennale ist einen beeindruckend gewebtes Textil, welches Kritik an Konsum übt. Dargestellt ist die Lieferkette in der Kleidungsindustrie inspiriert von Architektonischen Zeichnungen. Durch die Abbildung von Menschen, Sprechblasen, Überschriften, verschriftlichte Interviews und QR-Codes, welche zu vertonten Interviews führen, wird deutlich, wie die Industrie aufgebaut ist. Neben der inhaltlichen Vermittlung von Information zeigt dieses Ausstellungsstück von Lauren-Lois Duah, wie wenig Platz und Ressourcen es brauchen kann, um Wissen zu vermitteln und auf Probleme aufmerksam gemacht werden kann.
#information #textil #industrie #konsum